Thomas Nagel: Geist und Kosmos - warum die materialistische neodarwinistische Konzeption der Natur so gut wie sicher falsch ist

Suhrkamp, 2013. 187 S., € 24,95.

 

Mit diesem Buch hat der amerikanische Philosoph Thomas Nagel in USA für Furore gesorgt. Knapp, in einfachem, unaufgeregtem Stil und in großer gedanklicher Klarheit bringt er das System des materialistischen Darwinismus zum Einsturz. Denn das Leben und das Bewusstsein könnten nicht auf zufällige Wechselwirkungen kleinster Teilchen reduziert werden. Nagel zielt auf eine neue Weltanschauung, die Leben und Bewusstsein als natürliche Eigenschaften des Kosmos verstehen lernt. „Was mich leitet, ist die Überzeugung, dass der Geist nicht bloß ein nachträglicher Einfall oder Zufall oder eine Zusatzausstattung ist, sondern ein grundlegender Aspekt der Natur.“ (S. 30).

Nagels Kernargument ist einfach: Hätte der materialistische Darwinismus Recht, dann wäre der Mensch einschließlich seiner intellektuellen Fähigkeiten ein Produkt des Zufalls. Dann könnten wir uns aber nicht darauf verlassen, dass uns unser Denken und Erkennen tatsächlich Wahres vermittelt. Das hieße, dass die Aussage, wir seien ein Produkt des Zufalls, wahr sein könnte oder auch falsch… „Der evolutionistische Naturalismus gibt eine Darstellung unserer Fähigkeiten, die deren Verlässlichkeit untergräbt, und auf diesem Weg auch sich selbst unterminiert.“ (S.45). Die Vernunft kann nicht durch Unvernünftiges erklärt werden, ihre inhaltliche Gültigkeit ist in allem Erkennen vorausgesetzt. Daher muss „der Versuch, sich selbst in evolutionistischen, naturalistischen Begriffen zu verstehen, schließlich in etwas seinen Boden finden, dass für sich genommen als gültig verstanden wird – etwas, ohne das ein evolutionistisches Verständnis nicht möglich wäre.“ (S. 118). Ähnliches gelte für die geistige Ordnung der Welt. Denn das Bemühen, die Welt zu verstehen, beruhe auf der Prämisse ihrer Verstehbarkeit. Nagel will daher Geist, Bewusstsein und Leben in den Mittelpunkt einer wirklichkeitsgemäßen Weltanschauung stellen. Der von ihm vorausgesagte „great cognitive shift“ (nicht ganz glücklich übersetzt mit „große kognitive Verschiebung“, S. 124) werde Bewusstsein zu einer objektiven, weltumspannenden Wirklichkeit machen, die sowohl individuell als auch intersubjektiv existiert. Jedes Leben erscheine dann als „ein Teil des langwierigen Prozesses, in dem das Universum allmählich erwacht und sich seiner selbst bewusst wird.“ (S. 125).  

Nagel sagt die Morgendämmerung einer neuen Weltanschauung voraus, die man noch nicht kenne, aber von der man jetzt schon sagen könne, dass sie nicht ohne teleologische Komponenten auskommen werde. Der Darwinismus sei nicht vollständig falsch, doch bedürfe er einer Ergänzung durch die Annahme einer innerhalb der Natur wirksamen, zielführenden Kraft. „Die teleologische Hypothese lautet, dass diese Dinge … nicht allein von wertfreier Chemie und Physik festgelegt werden, sondern außerdem noch von … einer kosmischen Prädisposition für die Schaffung von Leben, Bewusstsein und Wert[en].“ (S. 176). Nagel bezieht sich dabei auf die aristotelische Idee einer natürlichen Zielursache. Und er ist damit nicht allein. ‚Aristotelische Teleologie’ ist ein Stichwort, unter dem Philosophen vor allem in USA, aber auch in Europa neue Ideen über biologische Systeme diskutieren. Nagel schließt mit der ahnungsvollen Bemerkung, dass „ein Verständnis, nach dem das Universum grundsätzlich dazu neigt, Leben und Geist zu erzeugen, wahrscheinlich eine sehr viel radikalere Abkehr von den vertrauten Formen naturalistischer Erklärung verlangen [wird], als ich sie mir gegenwärtig vorzustellen vermag.“ (S. 182).

 

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